STATISTA

Staatskunst Pioniernutzung Repräsentation

Hausbesetzung

“Der Mariannenplatz war blau, soviel Bullen waren da,
und Mensch Meier mußte heulen, das war wohl das Tränengas.
Und er fragt irgendeinen: "Sag mal, ist hier heut 'n Fest?"
"Sowas ähnliches", sacht einer "das Bethanien wird besetzt."
"Wird auch Zeit", sachte Mensch Meier, stand ja lange genug leer.
Der Senator war stinksauer, die CDU war schwer empört,
daß die Typen sich jetzt nehmen, was ihnen sowieso gehört.
Letzten Montag traf Mensch Meier in der U-Bahn seinen Sohn.
Der sagte: "Die woll'n das Rauch-Haus räumen,
ich muß wohl wieder zu Hause wohnen."
"Is ja irre", sagt Mensch Meier "sind wa wieder einer mehr
in uns'rer Zweiraum Zimmer Luxuswohnung und das Bethanien steht wieder leer.”
Ton Steine Scherben - Rauch-Haus-Song

 

Das singt die Band Ton Steine Scherben im Jahr 1972, nachdem das ehemalige Haus Bethanien am Mariannenplatz in Berlin besetzt wurde. Heute gilt das Georg-von-Rauch-Haus als das am längsten bestehende und mittlerweile legalisierte, ehemalig besetzte Haus. Doch es war nicht das Einzige besetze Haus: ihm folgten in den 70er Jahren zahlreiche weitere Besetzungen, weil in Westberlin ganze Viertel zu Sanierungsgebieten erklärt wurden. Häuserzeilen sollten abgerissen oder entkernt werden und durch höherwertige Neubauten ersetzt bzw. ergänzt werden. So wurden ganze Häuserblocks nach und nach entmietet, standen leer und verfielen, manche wurden nur temporär vermietet, obwohl Wohnungsmangel herrschte. Es ging aber nicht nur um den Ärger über die leerstehenden Häuser. Die Hausbesetzungen damals hatten viel zu tun mit den politischen und sozialen Bewegungen, Strömungen und Ereignissen und einer Protest- und Widerstandskultur gegen herrschende Verhältnisse. Alles war im Aufschwung, alles war in Bewegung. Auch 1990 gab es eine große Welle an Hausbesetzungen, diesmal allerdings vornehmlich in Ost-Berlin, kurz vor dem Mauerfall. Gründe gab es viele: die Vision als politisches Kollektiv zusammenzuwohnen und sich Freiräume zu schaffen, Wohnraum anzueignen der für zu teuer gehalten wurde, Solidarität mit Ost-Berlinern, Bausubstanz zu erhalten usw. Viel hat sich seitdem offenbar nicht verändert - auch heute stehen Gebäude und Wohnungen jahrelang leer – als sogenannte Spekulationsobjekte; weil die Eigentümer*innen auf eine Abrissgenehmigung warten, oder um sie als Luxus-Wohnungen zu sanieren. Obwohl spekulativer Leerstand inzwischen auch in Berlin mit hohen Geldstrafen geahndet werden soll, werden diese Regeln meist nicht durchgesetzt.[1] In den Großstädten herrscht Wohnungsnot und Hausbesetzung als politische Aktionsform kehrt zurück. Und sie sind oft wirkungsvoll: Von 1970 bis 2014 hat es mehr als 630 Besetzungen von Häusern und Wagenplätzen gegeben, von denen über 200 legalisiert worden sind. Aus den Hausbesetzungen der 70er und 80er Jahre gingen in zahlreichen Verhandlungen auch das inzwischen verbreitete Konzept der behutsamen Stadtsanierung hervor, demzufolge ein großer Teil der historischen Bausubstanz Berlins erhalten blieb, die heute das Stadtbild prägt und zur Attraktivität Berlins wesentlich beiträgt. Oft lassen sich die ehemals besetzten Häuser in ihren alternativen Wohnformen verstetigen, da viele auch heute noch als Kollektive und Gemeinschaftsräume o.Ä. genutzt. [2,3,4]

Dennoch werden Hausbesetzungen häufig kriminalisiert. So schreibt die Bundesvorsitzende der CDU Annegret Kramp-Karrenbauer: „In Berlin #besetzen rechtswidrig linke Kriminelle Häuser. […] Hier muss hart, entschlossen und mit allen nötigen Mitteln durchgegriffen werden.“(Annegret Kramp-Karrenbauer auf Twitter am 20.5.2018). Nach der sogenannten Berliner Linie werden besetzte Wohnungen innerhalb von 24 Stunden geräumt. Falls die Besitzer*innen der Häuser die Räumung verlangen, wird wegen Hausfriedensbruch ermittelt. Auch auf Wikipedia werden Hausbesetzungen als “widerrechtliche Inbesitznahme eines fremden, leerstehenden Gebäudes und seiner Verwendung als Wohnraum oder Veranstaltungsraum“ beschrieben. Und so steht es auch im Strafgesetzbuch:

§ 123 Hausfriedensbruch: (1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. [5]

§ 124 Schwerer Hausfriedensbruch: Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammenrottet und in der Absicht, Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen mit vereinten Kräften zu begehen, in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, so wird jeder, welcher an diesen Handlungen teilnimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. [5]

Besetzer*innen sollten sich davon allerdings nicht allzu sehr abschrecken lassen: So sehen die Grünen "die […] Besetzungen von leerstehenden Häusern angesichts der grassierenden Wohnungsnot und der Leerstände in allen deutschen Großstädten als ein legitimes Mittel an", schreibt dazu zum Beispiel der Grünen-Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg [6] in Berlin. Grüne und Linke setzen sich dafür ein, dass eine Räumung nur noch dann erfolgen soll, wenn von den Besitzer*innen zugesichert wird, dass ein bestehender Leerstand schnell beseitigt wird. Und auch der Druck auf die Parteien wird insgesamt größer, denn nach einer Studie sind für 53 Prozent der Berliner*innen Besetzungen ein legitimes Mittel. [7]

 

Quellen

[1] https://www.zeit.de/2018/22/hausbesetzungen-mietpreise-leerstand-pro-contra

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Hausbesetzung

[3] http://squatter.w3brigade.de/da-haben-die-die-ganze-huette-besetzt

[4] http://berlin-besetzt.de/#

[5] https://dejure.org/gesetze/StGB/124.html

[6] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/hausbesetzungen-in-berlin-legitimes-mittel-vs-hausfriedensbruch-a-1208836.html

[7] https://taz.de/Reaktion-auf-Wohnungsnot-in-Staedten/!5537904/