STATISTA

Staatskunst Pioniernutzung Repräsentation

Pioniernutzung - 4 Formen

 

Die Pionier*innen der „urbanen Mitte“ am Gleisdreieck, Berlin 

Das Gleisdreieck sei, laut des „Stadtquartiers Urbane Mitte“, schon immer ein Ort der Innovation und der Pioniere. Hier sollen nun Flächen für sogenannte Pioniernutzungen bereit gestellt werden. Neben der bereits bestehenden Kleinbrauerei „BRLO BRWHOUSE“ soll nun ein Innovationslabor entstehen. B-Part ist ein Experimentierlabor, welches die „Stadt von morgen“ entwerfen soll. B-Part funktioniert als „Katalysator und Inkubator für Ideen, Lösungen und konkrete Fallstudien.“ Hier ist das Ziel einen mit Leben und Energie durchströmten Ort zu schaffen und das soziale Potential aufzuzeigen. Pioniernutzungen werden als „Saat für Sport-, Kunst- und Kulturangebote der Zukunft“ verstanden. Im Vordergrund steht hierbei auch die Bedeutung der Partizipation. Beispiele für Pioniernutzungen:  BRLO, Kindersportfest, B-Part

Quelle: © 2019 Urbane Mitte: https://urbane-mitte.de/b-part-eroeffnung/

“Aktivierung der Nachbarschaft” im Haus der Statistik, Berlin

Die jungen “Pionier*innen” im Haus der Statistik sollen durch ihre kulturelle Arbeit für eine “Aktivierung und Sichtbarkeit” eines Stadtteiles sorgen. Durch innovative Kunstprojekte wollen sie die Stadtgesellschaft anziehen und Interessierte wie Nachbarschaft zum Mitmachen animieren. Angesprochen werden vor allem Projekte, die von Verdrängung bedroht sind oder bereits verdrängt wurden und kein bezahlbares Zuhause mehr für ihre kulturellen Nutzungen finden. Das sollen sie jetzt im Haus der Statistik bekommen. Im Vordergrund stehen ein gemeinwohlorientiertes und integratives Arbeiten, bei dem “Etablierte” und “Newcomer*innen” mit- und voneinander lernen sollen. Die meisten der geplanten Nutzungen sind allerdings zeitlich beschränkt und enden mit Abschluss der Sanierungsarbeiten am Haus nach ca. 3 Jahren (-> Zwischennutzung). Die Rahmenbedingungen für die Pioniernutzung scheinen auch noch nicht ganz klar zu sein, diesbezüglich wird noch diskutiert. (Stand: 5.2.2019) Wer die “Pionier*innen” letztendlich sein werden, wer mit “Nachbarschaft” gemeint ist und welche Kriterien die “Newcomer*innen” erfüllen müssen, wird sich noch zeigen. Ein Kontaktformular für Interessierte gibt es aber schon.

Quelle: https://hausderstatistik.org/pioniernutzungen/leitbild/; 
https://hausderstatistik.org/kontakt/nutzungsinteresse/

„Eroberung eines Pionierlandes“, Berlin

Die Spandauer Vorstand, auch Scheunenviertel genannt, inmitten Berlins, hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich gewandelt. Nach dem Fall der Berliner Mauer begannen Künstler*innen Häuser zu besetzen und ganze Straßenzüge in Ausstellungen zu verwandeln. Heute reihen sich dort Galerien aneinander, ein Investor freut sich über rapide steigende Mieten im Zuge der kulturellen Aufwertung. Schicke Cafés und Designerläden gehören längst zum Stadtbild. Bei der „Eroberung des Raumes“ bediente man sich eines urbanen „Mythos“, das Areal wurde exotisch romantisiert und zum „unbesiedelten Niemandsland“ erklärt, „ein weißes Blatt Papier“, durch das Kunsttourist*innen dann ihre „Pilgerzüge“ machten. Von einem „Kunstmitte-Boom“ schreibt die Zitty und so mancher Galerist meint, die Entwicklung des Stadtteils verhindere „Verslumung und Segregation“. Aus Perspektive „westlicher Reinkultur“ werde auf diese Weise die „eroberte Trutzburg“ verteidigt, meint Ulrike Steglich. 

Steglich, Ulrike: Authentizität als Kulisse. In: Scheinschlag, Nr. 2, 1998.

Von der Zähmung des urbanen Jungels, USA

Der stetige Kampf der Zivilisation gegen das Wilde sei wesentlicher Teil der Geschichte Nordamerikas, schreibt Frederick Jackson Turner 1893 und prägt hiermit nachhaltig die Geschichtsschreibung. Während Turners „Wildnis“ seinerzeit den Westen Nordamerikas meint, stehen heute Städte, die urbane Wildnis, der Zivilisation gegenüber. „Urbane Pioniere“ werden zu Cowboys, Städte zum Niemandsland, das gern romantisiert und dann gentrifiziert wird. Wie einst die Native Americans werden Einwohner*innen, die städtische Arbeiterklasse, nicht sozial begriffen, sondern als Teil natürlicher Umwelt, kaum einer Erwähnung wert, Eroberung scheint somit legitimiert. Von einer Zähmung (“The Taming of the Wild Wild West”) berichtet auch die New York Times 1983 und meint ein Areal zwei Blocks westlich des Times Square, das zur spannenden neuen Nachbarschaft „poliert“ wird. Die optimistische ökonomische Eroberung der Stadt durch eine weiße Mittelklasse heißt „Gentrifizierung“. Sie modernisiert und “säubert” und Bewohner*innen werden von Yuppies und Künstler*innen kolonisiert.

Smith, Neil: The new urban frontier: Gentrification and the revanchist city. Routledge, 2005.