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Quartiersmanagement

Liebevoll als „QM“ bezeichnet wird es seit 20 Jahren in Berliner Stadtteilen und Kiezen angesiedelt, die wahrscheinlich weniger liebevoll als „benachteiligt“ bezeichnet werden. Es ist ein angesehenes Instrument des Stadtteilmanagements [1] und wurde im Rahmen des Bund-Länder-Städteförderungsprogramms Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt1999 für Berlin eingeführt. Aktuell gibt es 34 QMs in Berlin.

„Berliner Quartiersmanagement stabilisiert Stadtteile, denen droht, von der gesamtstädtischen Entwicklung abgehängt zu werden. Quartiersmanagement soll negative Folgen von gesellschaftlicher Benachteiligung abmildern oder kompensieren. Damit Quartiere mit besonderen sozialen Integrationsaufgaben ihr Potenzial entwickeln können, aktiviert Quartiersmanagement die Bewohnerschaft und beteiligt sie an der Weiterentwicklung ihres Kiezes.“ [2]

In der Praxis heißt dies, dass ein per Ausschreibung ausgewählter Trägerverein ein Büro vor Ort betreibt (oft in einem leerstehenden Laden), mit dem Ziel verschiedene Akteure zusammenzubringen. Diese werden in die Lage versetzt das Nachbarschaftsleben in den Bereichen Bildung, öffentlicher Raum sowie soziale und ethnische Integrationzu verbessern. Das QM schreibt ein Integriertes Handlungs- und Entwicklungskonzeptfür den Stadtteil. Es setzt Quartiersräte und -fonds auf und finanziert damit Angebote vor Ort und Hilfe zur Selbsthilfe.

Strukturell fällt auf, dass es eine auf den Betrieb von Quartiersmanagements spezialisierte Trägerlandschaft zu geben scheint: 14 Träger betreiben die 34 QMs; 6 dieser Träger betreiben drei und mehr QMs parallel. [3]

Die Arbeit der QMs wird oft positiv, in den letzten Jahren aber auch vermehrt kritisch gesehen. Die Verbesserung des Zusammenlebens wertet Nachbarschaften automatisch auf und lockt dadurch ökonomisch potentere Bevölkerungsschichten in die Gebiete. Mit dem Vorwurf zur Gentrifizierung beizutragen werden die QMs mittlerweile sogar angegriffen.[4]

Da die Gebiete einiger QMs, wie bspw. im Wrangelkiez, sich in den letzten Jahren derart „positiv“ entwickelt haben wurden acht bereits fördertechnisch abgewickelt, neun weitere folgen bis Ende 2020. Im Falle des Wrangelkiezes wurde erstmalig auch eine Verstetigungsstrategie [5] eingesetzt, in deren Folge der bestehende Quartiersrat sich als eigenständiger Nachbarschaftsverein ausgründete [6].Das hat erheblichen Einfluss auf die Gründung und Entwicklung von Anti-Gentrifizierungskampagnen wie bspw. BizimKiez [7] gehabt, hinter dem der semi-erfolgreiche Versuch stand, einen ansässigen türkischen Supermarkt vor der Verdrängung zu schützen. In der Gesamtbetrachtung dieses Beispiels trotzdem ein Tropfen auf den heißen Stein: Der Wrangelkiez ist mit Blick auf seine Entwicklung in den letzten 30 Jahren eines der Berliner Paradebeispiele für Gentrifizierung geworden.

„Alle bisherigen Verstetigungserfahrungen zeigen, dass die Auseinandersetzung mit gesamtstädtischen Dynamiken, die in bestimmten Quartieren problematische Folgen haben können, für nachhaltige Stadtteilentwicklungsstrategien wichtig ist. Ein Beispiel dafür sind Mietsteigerungen in Folge von Gentrifizierungsprozessen, die häufig zur Verdrängung von ökonomisch schlechter gestellter Quartiersbevölkerung führen. Letztere ist eine wesentliche Zielgruppe des Instrumentes Quartiersmanagement, ihre Verdrängung ist im Sinne der Verstetigung von Strukturen kontraproduktiv.“ [8]

Diese von den QMs und der zuständigen Senatsverwaltung Stadtwentwicklung anvisierte Verstetigung, ist Thema einer 2017 veröffentlichten Studie. Die Feststellung, dass die eigentliche Zielgruppe in der Zwischenzeit gar nicht mehr vor Ort weilt zeigt auf, dass den Macher*innen durchaus klar ist welche Folgen Quartiersmanagement als stadtplanerisches Tool mit sich bringt. Das Problem ist also erkannt, richtige Lösungen finden sich bis dato eher weniger.

So wendet sich die Berliner Stadtplanung mit vergleichbaren Tools, z.T. sogar durch die Erweiterung der bestehenden QM-Aufträge neuen Aufgaben und Zielgruppen zu. Das Geschwisterkind heißt BENN, denn Berlin Entwickelt Neue Nachbarschaften und hilft somit dem Zusammenleben von Alt- und Medium-Eingesessenen mit neuangekommenen Flüchtlingen. [9]


QM-Zahlen [10]

  • 34 Quartiere erhalten aktuell in acht Bezirken Fördermittel aus dem Programm Soziale Stadt. Insgesamt wurden seit 1999 42 Quartiere unterstützt.
  • 423.000 Menschen wohnen in den aktuell geförderten Gebieten.
  • 120 Quartiersmanager*innen, 1.300 Quartiersräte und Mitglieder in Aktionsfondsjurys gibt es
  • Zwischen 1999 und 2019 wurden insgesamt 472,06 Millionen Euro im Programm Soziale Stadt ausgegeben. In Berlin werden zusätzlich zu Bundes- und Landesmitteln EU-Mittel verwendet. Der Anteil europäischer Mittel des EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) beträgt 140,85 Millionen Euro. Der Bund beteiligte sich mit 107,61 Millionen Euro. Das Land Berlin steuert 223,60 Millionen Euro bei.